CO2 Gesetz gescheitert — wieso?
Trotz einer lautstarken Jugend-Klimastreik-Bewegung, einer nationalen Klimademonstration im Herbst 2019 mit über 100.000 Teilnehmern, einer nationalen Wahl im Jahr 2019, die als “grüne Welle” bezeichnet wurde, und einer Massenaktion zum Thema Klima im letzten Herbst auf dem Bundesplatz vor dem Parlament lehnten die Schweizer Stimmbürger:innen ein revidiertes CO2-Gesetz knapp ab, das alle politischen Parteien ausser der SVP (größte und am weitesten rechts stehende Partei des Landes) unterstützten. Selbst economiesuisse, die größte Wirtschaftslobby des Landes, unterstützte das Gesetz.
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass das Gesetz den Stimmbürger:innen vorgelegt wurde, weil die Automobil-, Bau- und Ölindustrie zusammen mit der SVP mit dem vom Parlament verabschiedeten Gesetz nicht zufrieden waren und genügend Unterschriften sammelten, um das Referendum auf den Stimmzettel zu bringen.
Das CO2-Gesetz legte fest, wie die Schweiz ihrer Verpflichtung nachkommen würde, ihre Emissionen um 50 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Das ist weit weniger als ihr fairer Anteil an der Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 °C, wie es das Pariser Abkommen vorsieht. Es schlug eine Kohlenstoffsteuer und -dividende mit einem der höchsten Kohlenstoffpreise der Welt vor, wobei zwei drittel der Abgaben an die Öffentlichkeit in Form von reduzierten Krankenversicherungsprämien zurückgegeben werden sollten. Es ist nicht möglich für die Schweiz mit den jetzigen Gesetzen ihr Emissionsreduktionsziel zu erreichen.
Warum konnte eine so breite Koalition die Wähler nicht dazu bringen, einem Gesetz zuzustimmen, das von der Mehrheit der politischen Parteien unterstützt wurde?
Wenn es das Ziel ist, nicht nur das CO2-Gesetz durchzubringen, sondern politische Macht aufzubauen, um in der Zukunft mehr zu erreichen, gab es eine Reihe von Schwächen aus der Perspektive der Kampagnenführung, politischer Organising und Kommunikationsframing.
Die politischen Parteien waren faul — sie dachten, sie hätten die Abstimmung in der Tasche, da alle Parteien bis auf eine das Gesetz unterstützten. So haben die linken Parteien ihre Basis nicht genug mobilisiert; dies zeigt sich daran, dass die Regionen des Landes mit dem höchsten Prozentsatz an Nein-Stimmen in Regionen mit dem höchsten Prozentsatz an Wähler:innen lagen, d.h. die Wahlbeteiligung des linken Lagers war geringer (siehe Abbildung 1). Die Mitte-Parteien , die FDP und die Mitte, wurden von den linken Parteien nicht unter Druck gesetzt, ihre Mitglieder stärker zu mobilisieren: 63% der FDP und 53% der Mitte stimmten gegen das Gesetz. Fast ein Viertel der Mitglieder der SP stimmte gegen das Gesetz und 19% der Grünliberalen.
Offensichtlich bedeutete die Tatsache, dass das Gesetz ein Kompromiss war, dass einige auf der Linken es zu schwach fanden und diejenigen in der Mitte vielleicht zu streng oder nicht liberal genug. Innerhalb der Klimastreik-Bewegung waren einige Sektionen in der Romandie gegen das Gesetz und sammelten Unterschriften für das Referendum, weil sie der Meinung waren, dass kein Gesetz besser sei als ein schlechtes Gesetz.
Als begeisterte Radfahrerin verbringe ich viele Wochenenden auf dem Land und bekomme anhand der Schilder und Fahnen, die ich sehe, ein gutes Gespür dafür, welche Initiativen und Referenden durchkommen werden — sobald ich aus der Stadt heraus war, sah ich selten ein Ja-Schild, aber viele Nein-Schilder gegen das CO2-Gesetz, sowie die beiden anderen Initiativen, die sich auf Pestizide bezogen waren. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Umweltinitiativen nicht den Hauch einer Chance hatten, durchzukommen. Wenn wir uns die demografische Verteilung der Ja- und Nein-Stimmen ansehen, wird deutlich, dass vor allem diejenigen mit einem Monatseinkommen von über 7.000 CHF, die in städtischen Gebieten leben, eine höhere Bildung haben und älter sind, das Gesetz unterstützt haben, also im Wesentlichen die Elite des Landes.
Die Landbevölkerung zu ignorieren, diejenigen mit weniger Bildung und die, die weniger verdienen, ist weder eine langfristige Strategie, um Wahlen, Initiativen und Referenden zu gewinnen, noch um einen sozialen Wandel im Land zu erreichen. Die Website des Ja-Lagers hebt Politiker und Akademiker hervor; dennoch ist es unwahrscheinlich, dass diese Gruppe diejenigen, die mit Nein gestimmt haben, überzeugen kann.
Es sieht auch nicht so aus, als ob die Ja-Befürworter eine Analyse des Spektrums der Verbündeten durchgeführt hätten, um zwei bis vier Schlüsselgruppen in ländlichen Gebieten zu identifizieren, die in Richtung Ja-Stimmen bewegt werden könnten und vielleicht als Sprachrohr für die breitere ländliche Bevölkerung dienen könnten.
Was wäre, wenn die Unterstützer in ländlichen Gebieten von Tür zu Tür gegangen wären oder ihre Nachbar:innen angerufen hätten, um zu erklären, warum sie die Kampagne unterstützen? Wie wäre es mit Ständen vor Supermärkten und Kirchen, um Informationen über die Kampagne zu verbreiten? Angesichts des Stadt-Land-Grabens sind die Menschen viel offener dafür, jemandem aus ihrer Gemeinde zuzuhören als einer Stadtbewohnerin oder einer Elite.
Klimakampagnen werden nie die tiefen Taschen haben, die die Industrie hat, und können sich nicht nur auf bezahlte Werbungen konzentrieren, aber sie haben People Power, die auch dazu neigt, stärkere Unterstützung aufzubauen, als es Werbungen allein tun können.
Die Argumente, die für das Gesetz vorgebracht wurden, waren auf Werten basiert, was im Allgemeinen gut ist, aber sie waren weder inspirierend noch überzeugend. Die Nein-Seite führte natürlich eine Negativkampagne, die sich auf die Kosten der Massnahmen für Einzelpersonen und auch auf Fake News konzentrierte. Ihr Framing war klar und deutlich, während das Framing der Befürworter fehlte ein gewisser Biss und war vage. Gab es persönliche Vorteile im Gesetz, die die Befürworter hätte aufzeigen können?
Es war grossartig, dass Klimawissenschaftler wie Reto Knutti und mein ehemaliger Chef Thomas Stocker sich für das Gesetz aussprachen und die Lügen der Gegenseite anprangerten, zum Beispiel wie in einer Hochglanzzeitschrift, das Avenergy Suisse, der Ölindustrie Verband, herausgab. Es wäre aber hilfreich gewesen, diese Informationen zu nehmen und mit anderen Botschafter:innen kreative Antworten zu entwickeln.
Wie wäre es, Fokusgruppen abzuhalten, um die Sorgen über das Gesetz der demografischen Schlüsselgruppen in den ländlichen Gebieten zu verstehen und die Botschaften im Vorfeld zu testen, um das Framing zu pfeilen, um eine Kampagne zu führen, die sich darauf konzentriert, die Stimmen derjenigen zu erhalten, die bereits an Bord sind, und die Schlüsselgruppen in Richtung eines Ja zu verschieben?
Die SVP vertritt nicht meine Werte, aber diese Partei weiss, wie man kommuniziert, Innovation antreibt und Risiken eingeht. Wenn Botschaften stark und klar kommuniziert werden sollen, ist es wichtig, eine rote Linie zu ziehen und die Menschen zu zwingen, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden, anstatt eine Botschaft mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu vermitteln. Was wäre, wenn eine der Schlüsselbotschaften, “lasst uns nach vorne gehen und zeigen, wie es gemacht werden kann” statt “die ganze Welt handelt. Wir machen mit’’ gewesen wäre? Die erste Aussage vermittelt ein stärkeres Bild; die Schweiz ist führend, indem sie ihre Fähigkeit nutzt, qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen.
Letztlich ist aber eine Gesellschaft, die nach Einkommen, geografischer Lage und Bildungsniveau gespalten ist, auf Dauer nicht lebensfähig. Der einzige Weg, den ich kenne, um Brücken zu bauen, besteht darin, die Hälfte der Bevölkerung nicht zu ignorieren, sondern mit ihr zu reden und eine Organising-Strategie anzuwenden, um Macht aufzubauen.