Kollapscamp oder nicht?
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Ich hatte nicht vor, am Kollapscamp teilzunehmen. Es stimmt natürlich, dass die Klimakatastrophe an Intensität zunimmt und schon vor einiger Zeit begonnen hat. Die Überschwemmungen in meiner Heimatstadt Mumbai im Jahr 2005, verursacht durch fast 1000 mm Regen in 24 Stunden, haben mich bereits davon überzeugt. Aber ich lehne die Wahl des Begriffs „Kollaps” ab (mehr dazu weiter unten) und bin nicht damit einverstanden, sich auf den Kollaps zu konzentrieren und den Klimaschutz aufzugeben.
Wenn ich an das Wort „Kollaps” denke, stelle ich mir die plötzliche Zerstörung eines Gebäudes vor, aber so verläuft die Klimakatastrophe nicht. Ja, sie hat begonnen und ihre Auswirkungen sind ungleich verteilt, aber es handelt sich nicht um eine völlige Zerstörung. Auch wenn es uns bisher nicht gelungen ist, die Emissionen insgesamt zu reduzieren, bedeutet das nicht, dass wir dies in Zukunft nicht schaffen können — insbesondere wenn wir bereit sind, nicht funktionierende Strategien aufzugeben und neue auszuprobieren sowie Chancen besser zu nutzen. Dieser Ansatz bedeutet nicht, dass wir die Wahrheit verdrängen, es sei denn, wir machen weiter wie bisher und erwarten ein neues Ergebnis. Sondern es geht darum, unsere Strategie auf der Grundlage der Wahrheit und des Kontexts zu ändern. Wenn wir den Klimaschutz aufgeben, wird es außerdem nur noch schwieriger werden, schwere Krisen zu bewältigen. Es ist also klar, dass beide Strategien parallel verfolgt werden müssen: der Kampf um gesellschaftliche Macht und Klimaschutz sowie die Vorbereitung auf den Zusammenbruch von Gesellschaften und Ökosystemen. Ein entweder-oder-Denken geht am Ziel vorbei.
Wenn wir über „solidarisches Prepping” sprechen, scheint es mir außerdem unsere Verantwortung zu sein, weiterhin gegen die Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe zu kämpfen. Schließlich hat der globale Norden den Löwenanteil der weltweiten Emissionen verursacht und davon profitiert, während die Auswirkungen im Süden schlimmer sind und dort viel früher eingesetzt haben.
Abgesehen davon, dass ich eine andere Sichtweise auf die sich beschleunigende Klimakatastrophe habe, sind Camps einfach nicht mein Ding — ich bin überwältigt von zu vielen interessanten Menschen und Veranstaltungen, die ich sehen möchte. Vor allem aber bin ich es leid, an Camps teilzunehmen und selten andere Migrant*innen zu treffen. Die Bewegung spricht so viel über Diversität, und es gab auch Fortschritte, insbesondere in Bezug auf die Repräsentation von LGBTQIA+, aber wo sind die Arbeiterklasse, die Europäer*innen der zweiten Generation, Menschen mit Behinderungen und Migrant*innen?
Was hat mich also letztendlich überzeugt, mitzumachen? Die Begeisterung eines der Organisator*innen, Tadzio Müller, und eines anderen lieben Genossen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung waren ansteckend. Wie hätte ich das verpassen können? Ich habe mir in letzter Minute noch schnell ein Ticket von jemandem gekauft. Voilà — nach einer 12-stündigen Zugfahrt aus der Schweiz bin ich angekommen.
Wie war meine Erfahrung?
Es war wunderbar, viele alte Kamerad*innen wiederzusehen und viele neue Gesichter kennenzulernen. Die Atmosphäre war äußerst freundlich und offen. Es war sehr gut organisiert — es gab viele Toiletten, sogar Duschen, und die Küfa versorgte uns schnell mit leckerem Essen. Ich war angenehm überrascht von der generationsübergreifenden Vielfalt und der Anzahl der Kinder (ich hatte mich am ersten Morgen freiwillig gemeldet, um mit den Kindern zu spielen). Einige Leute waren schon seit Jahren politisch aktiv, aber nicht unbedingt in der Klimabewegung. Für andere war es das erste Mal, dass sie an einem Camp teilnahmen.
Die Kinderecke ermöglichte es Eltern/Kinderbegleiter*innen an Workshops teilzunehmen. Das Camp hatte ausdrücklich seinen Fokus auf die Repräsentation von LGBTQIA+ gelegt. Ich überlasse es den LGBTQIA+-Genoss*innen, zu kommentieren, wie gut das Camp dies umgesetzt hat. Ich habe nur sehr wenige Migrant*innen und BIPoC gesehen, aber wenn ich welche sah, waren wir überglücklich, uns getroffen zu haben! Ich war etwas überrascht, dass Workshops zum Thema „Lernen vom globalen Süden” von Deutschen geleitet wurden. Das Camp war offensichtlich nicht barrierefrei; ich fand es schade, dass es keinen barrierefreien Bereich gab und dass für einige Workshops keine Gebärdensprache angeboten wurde. Für ein Camp, dessen Schwerpunkt auf Solidarität im Zusammenbruch liegt, schien mir das ein großes Versäumnis zu sein. Wenn das jetzt schon so schwer zu organisieren war, was bedeutet das dann in einer tatsächlichen Krise?
Es gab eine ganze Reihe von Workshops — darunter die Beziehung zwischen Degrowth und Katastrophen, wie man um alles trauert, was durch die Klimakrise verloren gegangen ist, wie man Funk nutzt, wenn der Mobilfunk ausfällt, und wie man resilient sein kann. Ein Workshop, der mich und meine politische Perspektive angesprochen hat, war der von Sanjay und Harry von Flooded People UK. Obwohl Soforthilfe wichtig ist, konzentriert sich ihre Arbeit darauf, Gemeinschaften zu organisieren, um sicherzustellen, dass längerfristige Bedürfnisse erfüllt werden, angefangen bei der Forderung nach besseren Schutzbauten bis hin zur Bereitstellung von Notfallausrüstungen für die Gemeinschaft. Ihr Ansatz fühlt sich sehrrmächtigend an. Es erinnerte mich an meine Arbeit in Indien in den frühen 2000er Jahren nach Naturkatastrophen und religiösen Unruhen. Während einige der von Flooded People UK vorgestellten Lösungen sehr stark darauf ausgerichtet sind, dass die Arbeit selbst übernommen wird, setzen sie sich auch dafür ein, dass die Regierung in Bezug auf die Hochwasserpolitik, aber auch den Klimawandel zur Verantwortung gezogen wird.
Es gab eine Reihe von Workshops zum Erwerb praktischer Fähigkeiten. So sehr mich das auch interessierte, habe ich nicht daran teilgenommen, da ich handwerklich nicht sehr geschickt bin und wusste, dass ich in kurzer Zeit keine ausreichenden Kenntnisse erwerben konnte. Für mich hätten sich die Fähigkeiten, die ich gerne mehr gesehen hätte, auf politisches Organising und die Umsetzung von Solidarität in die Tat konzentriert. Ich war froh, dass es ein Training zum Thema „Organising in Krisenzeiten” gab, aber die Plätze waren begrenzt und meine Bewerbung wurde nicht angenommen. Der Workshop „Stop the Bleed” war ein Beispiel dafür, wie viele verschiedene Stränge zusammengeführt werden können. Die Gruppe aus Schweden organisierte diese Workshops als Reaktion auf einen Bedarf in ihrer Gemeinde. Sie unterstützt auch andere Gemeinden dabei, ein Reaktionsteam zu organisieren und gibt ihre Fähigkeiten an sie weiter.
Was mir wirklich gefehlt hat, waren mehr politische Diskussionen darüber, wie Solidarität wirklich aussieht und wer an der Diskussion teilnehmen sollte. Ich hätte gerne untersucht, wie die Vorbereitung auf schwere Krisen mit Kampagnen für soziale Gerechtigkeit zur Reduzierung von Emissionen zusammenhängt. Ich habe zwar mit einigen Genoss*innen darüber gesprochen, aber ich hätte mir Podiumsdiskussionen gewünscht, die sich mit größeren Fragen befassen, sowie eine größere Auswahl an Workshops zu diesem Thema.
Manchmal fand ich, dass einige erfahrene Aktivist*innen für Klimagerechtigkeit das Camp übermäßig kritisch beurteilten; schließlich war es das erste Mal, dass ein solches Camp organisiert wurde! Andererseits hatte ich auch den Eindruck, dass einige Mitglieder des Organisationsteams gegenüber denen, die glaubten, dass wir noch erfolgreich für sozialen und ökologischen Wandel kämpfen können, sehr hart waren. Ich halte diese Gegenüberstellung für nicht sinnvoll und glaube, dass sie unnötige Spaltungen schafft.
Fazit
Ich bin froh, dass ich hingefahren bin, um mehr darüber zu erfahren, was die Menschen über die Klimakatastrophe denken, neue Leute kennenzulernen und alte Genoss*innen wiederzusehen. Ich gratuliere den Organisator*innen für ihre Bemühungen, so viele Menschen zusammenzubringen, um sich mit den emotionalen Aspekten der Klimakrise auseinanderzusetzen, praktische Fähigkeiten für den Umgang mit Krisen zu erwerben und Diskussionen zu führen. Es war ein großartiger erster Versuch.
Dennoch fällt es mir derzeit schwer zu glauben, dass eine relativ homogene Gruppe, unabhängig davon, wie gut ihre Absichten auch sein mögen, in der Lage sein wird, sich bei Bedarf mit den Schwächsten der Gesellschaft solidarisch zu zeigen. Meiner Erfahrung nach funktioniert dies am besten, wenn man im Voraus miteinander ins Gespräch kommt und zusammenarbeitet, um Bedürfnisse und Angebote zu verstehen. Die Schwächsten waren jedoch kaum vertreten. Bei der Ahrtal-Flut starben 12 Menschen mit Behinderungen, weil vor der Katastrophe keine Verbindungen hergestellt worden waren. Bei einem informellen Treffen im Camp zum Thema „Wie kann ein europaweites Solidaritätsnetzwerk im Krisenfall geschaffen werden?“ wiesen mehrere Teilnehmenden darauf hin, dass als Voraussetzung für die Einrichtung eines Netzwerks zunächst diskutiert werden müsse, für wen, von wem und wie Solidarität aussehen solle. Das gab mir Hoffnung, dass wir in Zukunft mehr Solidarität erwarten können. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge weiterentwickeln werden. Was mich betrifft, so gebe ich den Kampf für einen sozial-ökologischen Wandel nicht auf, sondern hoffe, Synergien mit denen zu finden, die Solidaritätsstrukturen für die Bewältigung von Krisen entwickeln wollen.
Danke an Christopher Laumanns für die redaktionelle Überarbeitung!
